Wohnen und Pflegen: Unterschiedliche Wohnsituationen für eine bedürfnisgerechte Pflege

Da eine Pflegebedürftigkeit im Alter häufig voranschreitet und für eine gewisse Zeit auch eine sehr intensive Begleitung und Unterstützung erforderlich sein kann, ist es sinnvoll, sich rechtzeitig über die bestehenden Möglichkeiten zur Organisation der Wohnverhältnisse Klarheit zu verschaffen. Denn vorrausschauend zu Planen und zu Handeln ist in der häuslichen Pflege notwendig, um möglichst vielen Herausforderungen gerecht werden zu können.

Angehörige stehen oft vor der wichtigen Frage, welche Wohnsituation die Beste für sie und ihre pflegebedürftigen Liebsten ist. Die Gestaltung des Wohnraumes spielt eine zentrale Rolle für das Wohlbefinden und die Pflegequalität der betroffenen Personen. Sie kann entscheidend sein, bei der Frage, inwieweit die Pflege allein bewerkstelligt werden kann, oder ob - und in welchem Umfang - Pflegedienste oder andere Pflegeeinrichtungen unterstützend herangezogen werden müssen.

Die Wahl einer passenden Wohnsituation kann entscheidend für die Lebensqualität aller beteiligten sein. Pflegende Angehörige tragen eine immense Verantwortung und stehen vor vielfältigen Herausforderungen im Pflegealltag. Dabei müssen die Bedürfnisse, sowohl des Pflegebedürftigen wie auch der pflegenden Angehörigen gleichermaßen berücksichtigt werden. Das richtig gewählte Wohnarrangement bildet eine solide Grundlage, um den Pflegealltag effizient zu gestalten und gleichzeitig für eine Atmosphäre des Wohlbefindens und der notwendigen Nähe und Distanz zu sorgen. 

In diesem Artikel werden wir uns mit drei verschiedenen Wohnsituationen auseinandersetzen:

  • Dem Leben in getrennten Wohnungen oder Häusern mit unterschiedlicher räumlicher Distanz
  • Das Wohnen in einer Hausgemeinschaft bei getrennten Haushalten/ Wohnungen
  • Das Wohnen in einem Haus oder Wohnung mit nur einem Haushalt.

Jedes Arrangement bietet spezifische Vorzüge und birgt auch Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass keines dieser Arrangements als Patentrezept gesehen werden kann. Jede Pflegesituation, Lebenssituation sowie die persönlichen Ressourcen sind einzigartig und müssen individuell bewertet werden. 

Mit diesem Artikel möchte ich eine informative Grundlage schaffen, die Ihnen dabei hilft, das passende Wohnkonzept für Ihre persönliche Pflege- und Lebenssituation zu wählen. Die Wohnsituation sollte nicht nur den praktischen Anforderungen entsprechen, sondern auch Raum für Geborgenheit, Entspannung und Freude bieten. Denn eine bedürfnisgerechte Pflege ist nicht nur eine Frage des Fachwissens und er Organisation, sondern auch ein Ausdruck von Liebe, Fürsorge und einer ganz besonderen zwischenmenschlichen Verbindung.

Getrennte Wohnungen/ Häuser

Wohnen SeperatDas erste Wohnarrangement, das wir hier betrachten, ist die Variante, bei der die pflegebedürftige Person und die pflegenden Angehörigen getrennt voneinander wohnen. Die Wohnungen können entweder zu Fuß oder mit dem Auto erreichbar sein, in derselben Stadt/ Ort oder in unterschiedlichen Städten/ Orten. Die räumliche Distanz der Wohneinheiten spielt hierbei eine wichtige Rolle dabei, wie intensiv und umfassend eine persönliche Betreuung gewährleistet werden kann.

Vorteile dieser Wohnsituation:

1. Privatsphäre: Die pflegebedürftige Person behält ihre eigene Privatsphäre und Unabhängigkeit in den vertrauten eigenen vier Wänden.

2. Räumliche Distanz: Die Trennung von Wohnorten ermöglicht es den pflegenden Angehörigen, eine räumliche Distanz zu haben und einen gewissen Ausgleich zwischen Pflegeaufgaben und persönlichen Bedürfnissen zu finden.

3. Entlastung: Pflegende Angehörige können sich bewusst von der Pflegesituation distanzieren, was in manchen Fällen zu einer erhöhten Entlastung und besserem Umgang mit Stress führen kann.

Herausforderungen und mögliche Lösungen:

1. Verfügbarkeit: Die getrennten Wohnorte erschweren es spontan auf einen überraschenden Hilfebedarf zu reagieren. Für Notfälle kann ein Hausnotrufsystem hilfreich sein und für zusätzliche Sicherheit sorgen. Regelmäßige Telefonate sorgen für eine bessere Kommunikation, um rechtzeitig auf sich ändernde Bedürfnisse und Anforderungen reagieren zu können. Durch Kontakt zu den direkten Nachbarn kann ebenfalls Bereitschaft zur Unterstützung gegeben sein.

2. Organisation: Eine klare Organisation und Planung der Pflegeaufgaben sind unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person angemessen erfüllt werden. Hier kann es hilfreich sein, feste Zeiten für Besuche oder Pflegeleistungen zu vereinbaren und einen gut strukturierten und verlässlichen Pflegeplan zu erstellen.

3. Emotionale Herausforderungen: Die räumliche Trennung kann zu emotionalen Herausforderungen führen, da die Angehörigen möglicherweise das Gefühl haben, nicht genug für ihre Liebsten da sein zu können. Ein gewisses Risiko, im Falle eines Notfalles nicht anwesend zu sein, um notwendige Hilfe leisten zu können, müssen getragen werden. Dies kann teilweise beunruhigend sein. Offene Gespräche über Gefühle und Bedürfnisse können dazu beitragen, diese Herausforderungen zu bewältigen. Ein Hausnotrufsystem, aber auch eine ergänzende Betreuung durch einen ambulanten Dienst kann hier sehr sinnvoll sein.

Dieses Wohnarrangement ist nicht für jeden die optimale Lösung, da sie ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Eigenständigkeit des Pflegebedürftigen erfordert. Es kann jedoch eine wertvolle Option sein, wenn die pflegebedürftige Person ihre Selbstständigkeit wahren möchte und die Angehörigen eine gewisse Entlastung in Bezug auf den Pflegealltag benötigen. Es erfordert ein hohes Maß an Kommunikation und Organisation, aber mit gegenseitiger Unterstützung und Verständnis können die Herausforderungen erfolgreich gemeistert werden.

Bei fortschreitender Pflegebedürftigkeit und/ oder bei kognitivem Abbau und Desorientierung (wie z.B. bei Demenz) kann häufig die notwendige Pflege und Sicherheit in dieser Wohnform nicht mehr gewährleistet werden. Andere Wohnarrangements müssen daher rechtzeitig überlegt, besprochen und evtl. verwirklicht werden.

Wohnen in einer Hausgemeinschaft bei getrennten Haushalten

Wohnen getrennte HaushalteEine weitere Möglichkeit, die häusliche Pflege zu gestalten, besteht darin, dass die pflegebedürftige Person und die pflegenden Angehörigen in getrennten Wohnungen aber innerhalb einer Hausgemeinschaft leben. Dieses Wohnarrangement kann verschiedene Formen annehmen, zum Beispiel, wenn die pflegebedürftige Person und ihre Angehörigen in einem Mehrfamilienhaus leben oder separate Wohnungen in einem größeren Wohnkomplex bewohnen.

Vorteile dieser Wohnsituation

1. Nähe: Durch die räumliche Nähe zueinander ist eine schnellere Reaktionszeit bei Notfällen oder akuten Situationen möglich.

2. Distanz: Durch die getrennten Haushalte können die Eigenständigkeit und Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen und der pflegenden Angehörigen weitestgehend erhalten bleiben.

3. Sicherheit: Als pflegender Angehöriger kann es sehr beruhigend sein, im Notfall möglichst schnell erreichbar zu sein. So kann spontan nach dem Rechten geschaut werden, wenn man sich nicht ganz sicher fühlt oder man ein „beunruhigendes“ Gefühl bekommt.

Herausforderungen und mögliche Lösungen

1. Absprachen: In einer Hausgemeinschaft ist es wichtig, klare Absprachen zu treffen, um das Miteinander und die gegenseitige Rücksichtnahme zu gewährleisten.

2. Privatsphäre: Die Nähe der Wohnungen kann gelegentlich die Privatsphäre beeinträchtigen. Es ist ratsam, dass sowohl die pflegebedürftige Person als auch die Angehörigen Rückzugsorte haben, um ihre individuellen Bedürfnisse zu wahren. Es kann zwar schnell auf einen veränderten Hilfebedarf reagiert werden, jedoch kann diese Nähe auch dazu führen, dass die Hilfsbereitschaft voreilig beansprucht und überstrapaziert wird.

3. Konflikte: Unterschiedliche Bedürfnisse und Meinungen in einer Hausgemeinschaft können zu Konflikten führen. Offene Kommunikation und ein respektvoller Umgang miteinander sind hier von großer Bedeutung ebenso wie die Fähigkeit, für sich selbst eindeutig Klarheit über die eigenen Grenzen zu verschaffen und diese durchzusetzen.

4. Persönliche Überlastung: Diese Wohnform bedeutet nicht, dass man in jedem Fall ohne einen Pflegedienst oder anderen Dienstleistern auskommt. Um eine Überlastung und eine gesundheitliche Gefährdung der pflegenden Personen zu verhindern, sollte immer rechtzeitig entsprechende Hilfe in Anspruch genommen werden.

Das Wohnen in einer Hausgemeinschaft bei getrennten Haushalten kann eine gute Möglichkeit sein, um eine Balance zwischen Nähe und Distanz zu finden. Durch klare Absprachen und gegenseitige Rücksichtnahme kann eine harmonische Wohnsituation geschaffen werden. Im nächsten Abschnitt werden wir das gemeinsame Wohnen in nur einem Haushalt näher betrachten.

Gemeinsame Wohnung/Haushalt

Wohnen ein HaushaltEin weiteres Wohnarrangement, das in der häuslichen Pflege häufig anzutreffen ist, besteht darin, dass die pflegebedürftige Person und die pflegenden Angehörigen sich eine Wohnung oder einen Haushalt teilen. In dieser engen Wohnsituation leben sie zusammen unter einem Dach und gestalten ihren Alltag miteinander. 

Vorteile dieser Wohnsituation

1. Enge Bindung: Durch das gemeinsame Wohnen entwickeln pflegende Angehörige und die pflegebedürftige Person oft eine besonders enge und vertraute Beziehung zueinander.

2. Intensivste Unterstützung: Wenn eine Pflegebedürftigkeit voranschreitet und umfassende Betreuung, Beaufsichtigung und Unterstützung notwendig ist, kann diese Wohnform am vorteilhaftesten sein.  Das Zusammenleben ermöglicht eine intensivere und kontinuierliche Betreuung und Begleitung im Alltag, was für beide Seiten von großem Wert sein kann.

3. Kosteneinsparung: Das Teilen von Wohnraum und Haushaltskosten kann finanziell entlastend wirken.

Herausforderungen und mögliche Lösungen

1. Grenzen setzen: Das gemeinsame Wohnen kann zu einer permanenten Verfügbarkeit führen, wodurch es wichtig ist, klare Grenzen zu setzen und sich auch individuellen Bedürfnissen und Freiräumen bewusst zu werden. Als pflegender Angehöriger ist es von besonderer Bedeutung auf eine ausreichende Selbstpflege zu achten.

2. Persönlicher Freiraum: Für eine gelungene Wohnsituation ist es bedeutend, dass sowohl die pflegende Person als auch die pflegebedürftige Person Zeit für sich selbst haben und eigene Interessen verfolgen können. Um für angemessene Erholungsphasen zu sorgen, und um Raum für Privatheit zu schaffen, kann es hilfreich sein, Unterstützung durch ambulante Dienste oder andere Pflegeeinrichtungen zu nutzen. Auch ein regelmäßiger Besuch des Pflegebedürftigen in einer Tagespflege verhilft oft zu mehr Privatheit der pflegenden Angehörigen.

3. Rollenverteilung: In einem geteilten Haushalt sollten die Rollen und Aufgaben klar verteilt werden, um eine ausgewogene Pflege- und Lebenssituation zu schaffen.

Das Zusammenleben unter einem Dach kann eine sehr innige und unterstützende Form der Pflege sein. Die enge Bindung und der gemeinsame Alltag können eine große Bereicherung darstellen. Um dennoch individuellen Raum zu wahren und eine ausgewogene Balance zu finden, ist es essenziell, klare Grenzen zu setzen und sich persönlichen Freiraum zu ermöglichen.

Entscheidungsfindung und Individualität

Bei der Wahl des passenden Wohnarrangements in der häuslichen Pflege gibt es kein universell "richtiges" oder "falsches" Modell. Jede Situation ist einzigartig und sollte individuell betrachtet werden. Entscheidend ist, dass die Bedürfnisse, Vorlieben und Möglichkeiten aller Beteiligten berücksichtigt werden.

Bedeutung individueller Bedürfnisse

Es ist essenziell, dass sowohl die pflegebedürftige Person als auch die pflegenden Angehörigen ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche äußern und diese in die Entscheidungsfindung einfließen lassen. Dabei spielen Faktoren wie Gesundheitszustand, persönliche Vorlieben und auch die räumlichen Gegebenheiten eine entscheidende Rolle.

Berücksichtigung der Möglichkeiten und Ressourcen

Die praktische Umsetzung der verschiedenen Wohnarrangements hängt auch von den vorhandenen Ressourcen ab. Neben den persönlichen Bedürfnissen sollte auch die finanzielle Lage, die bereits vorhandene Wohnsituation und eventuell vorhandene Unterstützung von außen (z.B. Nachbarschaft, Verwandtschaft) einbezogen werden.

Rolle von Kommunikation und Kompromissen

Die Kommunikation zwischen den Beteiligten ist unerlässlich, um offen über Wünsche, Bedenken und Möglichkeiten zu sprechen. Ein offener Austausch ermöglicht es, gemeinsam Lösungen zu finden und Kompromisse zu schließen, die für alle akzeptabel sind. Besonders beim Finden von Kompromissen ist ein hohes Maß an Geduld unerlässlich. Gerade deshalb sollte rechtzeitig diese Fragestellung besprochen und durchdacht werden.

Die Wahl des Wohnarrangements ist eine wichtige Entscheidung, die unter Umständen auch darüber entscheiden kann, inwieweit eine häusliche Pflege tatsächlich möglich ist oder ob bei voranschreitender Pflegebedürftigkeit ein Umzug in ein Pflegeheim notwendig werden kann.   Indem individuelle Bedürfnisse, Vorlieben und Möglichkeiten berücksichtigt werden und eine offene Kommunikation stattfindet, kann ein passendes und bedürfnisgerechtes Wohnmodell gefunden werden.

Fazit

Die Wahl des Wohnarrangements sollte auf einer offenen Kommunikation und dem Finden von Kompromissen basieren, um die bestmögliche Lösung für alle zu finden. Es ist wichtig zu erkennen, dass sich die Bedürfnisse im Laufe der Zeit ändern können, und die Wohnsituation gegebenenfalls angepasst werden sollte, um den sich verändernden Umständen gerecht zu werden.

Insgesamt lässt sich sagen, dass eine bedürfnisgerechte Pflege in unterschiedlichen Wohnsituationen möglich ist. Jede Familie und jede Pflegesituation ist einzigartig, daher gibt es kein universelles Rezept für das ideale Wohnarrangement. Es ist entscheidend, die individuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen und eine Wohnsituation zu schaffen, die ein Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Wohlbefinden vermittelt.

Indem Sie die verschiedenen Optionen verstehen und sich bewusst für das passende Wohnkonzept entscheiden, können Sie einen bedeutsamen Beitrag dazu leisten, dass Sie, als pflegender Angehöriger, und die pflegebedürftige Person eine harmonische und erfüllende Lebensqualität miteinander erleben können.